AD(H)S steht für die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, umgangssprachlich bekannt als Zappelphilippsyndrom.
Die ADHS ist eine stark genetisch-neurobiologisch verankerte Störung, die nicht nur bei Kindern sondern auch bei Erwachsenen zu erheblichen psychosozialen Problemen führen kann. Auch leisten die Umweltbedingungen einen wesentlichen Beitrag bei der Entstehung. Früher sei man davon ausgegangen, dass ADHS, diese Störung, die sich schon im Kindesalter bemerkbar macht, später wieder „verschwindet“, was sich als eine falsche Annahme erwiesen hatte. Bei einer hohen Prozentzahl der Erwachsenen, die als Kinder oder Jugendliche unter ADHS litten, ist die Krankheit weiter nachweisbar: Bei etwa 30% der Betroffenen besteht das Vollbild der Störung im Erwachsenenalter weiter, bis zu 60% sind zumindest einzelne Symptome noch anzutreffen. ADHS "pur" ohne weitere somatische oder psychische Störungen ist bei Erwachsenen eher weniger häufig. Die ADHS im Erwachsenenbereich geht mit zahlreichen gesundheitlichen Risiken und mit sozialen Dysfunktionen einher, die sich nachteilig bemerkbar machen. Eine Kombination mit anderen psychischen Störungen (Komorbidität) kommt sehr häufig vor. Für Suchterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen scheint die ADHS sogar ein Risikofaktor zu sein. Bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit ADHS findet sich besonders häufig zusätzlich ein Drogenmissbrauch bzw. Alkoholismus (bis 50%), Persönlichkeitsstörungen (bis 60%), affektive Störungen (bis 35%) und Angststörungen (bis 25%).
Ablauf der ADHS-Diagnostik im Rahmen der Spezialsprechstunde
In der Sprechstunde werden umfassende klinische und neuropsychologische Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse der differentialdiagnostischen Klärung der Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen dienen. Die Diagnostik beinhaltet eine umfassende Anamneseerhebung (nach Möglichkeit auch Fremdanamnese), standardisierte Untersuchungsinstrumente mit Selbst- und Fremdbeurteilungsskalen, neuropsychologische Testverfahren sowie organische Untersuchungen wie z. B. cMRT und Blutuntersuchungen incl. Schilddrüsendiagnostik.
Bei Verdacht auf das Vorliegen einer AD(H)S im Erwachsenenalter erfolgt eine sich an den entsprechenden Leitlinien orientierende Diagnostik und Einleitung einer Therapie.
Es handelt sich um ein spezielles Angebot für die Diagnostik und Therapie der Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung im Erwachsenenalter (ADHS), in der sich erfahrungsgemäß Betroffene mit oft komplexen, häufig auch schon sehr chronischen Krankheitsbildern vorstellen. Die Sprechstunde hat das Ziel der Diagnosestellung (Erstdiagnose) und einer Klärung der therapeutischen Optionen sowie ggfs. Einleitung der spezifischen, störungsspezifischen medikamentösen Therapie. Eine psychotherapeutische Behandlung im Sinne einer ambulanten störungsspezifischen Gesprächspsychotherapie ist aus Kapazitätsgründen nur begrenzt möglich.
Der diagnostische Prozess umfasst in der Regel einen Zeitraum von ca. 3 bis 6 Monaten und besteht aus mindestens 4 Terminen:
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Beim ersten Termin werden durch eine psychiatrische Untersuchung mögliche Begleiterkrankungen (z.B. Depression, Suchterkrankung, Angststörung, Schizophrenie) miterfasst und ggf. die Indikation zur ambulanten oder stationären Therapie gestellt. Die ADHS-Diagnostik kann in aller Regel erst danach erfolgen, weil beispielsweise eine klinisch relevante depressive Symptomatik die diagnostische Klärung einer ADHS in einigen Fällen unmöglich machen könnte, sehr häufig zumindest stark erschweren würde. Andere Erkrankung, wie z. B. eine schizophrene Psychose, sollten im Vorfeld ausgeschlossen werden. Schon in der ersten Erhebung der aktuellen Anamnese wird im unstrukturierten Interview nach Hinweisen für das Vorliegen einer ADHS orientierend an den DSM 5 und Wender-Utah-Rating-Kriterien gesucht. Verdichten sich die Verdachtsmomente für ein mögliches Vorliegen einer AD(H)S, wird ein zweiter Untersuchungstermin vereinbart. Wenn möglich, wird bereits beim Ersttermin ebenfalls eine Fremdanamnese erhoben. Die standardisierten Fragebögen werden erklärt und zum Ausfüllen mitgegeben.
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Zum 2-ten Termin werden die bereits bei der ersten Untersuchung ausgeteilten standardisierten Fragebögen (ADHS-SB, ADHD-Checkliste nach DSM-IV, Wender Utah Rating Scale 25 (WURS-25) und Adult ADHD Self Report Scale (ASRS)) mitgebracht, die während des Untersuchungstermins direkt ausgewertet werden. Außerdem erfolgt die Ausertung der beim Ersttermin angefordeten Fremd- und Vorbefunde.
Kann eine ADHS in der Zusammenschau aller zur Verfügung stehenden Untersuchungsergebnisse und Unterlagen nicht ausgeschlossen werden, wird ein 3-ter Untersuchungstermin vereinbart.
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Beim 3-ten Untersuchungstermin sollte der bereist starke Verdacht für das Vorliegen einer ADHS neuropsychologisch untermauert werden. Die neuropsychologische Testung untersucht die Konzentrationsfähigkeit, kognitive Leistungsfähigkeit sowie Wahrnehmungsleistungen.
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Der vierte Termin erfolgt als Nachgespräch zur Auswertung der Testung, wo die Ergebnisse besprochen und in den gesamten diagnostischen Prozess eingeordnet werden. Damit ist in den allermeisten Fällen die ADHS-Diagnostik abgeschlossen.
Medikamentöse Therapie mit Methylphenidat (MPH)
Ist die Diagnostik abgeschlossen und ADHS vorliegend, so kann bei entsprechendem Wunsch die Indikation zur medikamentösen Behandlung mit Methylphenidat (MPH), welches laut der DGPPN-Leitlinien die Substanz der ersten Wahl ist, geprüft werden und beim positiven Ergebnis eine erste medikamentöse Einstellung erfolgen.
Bei vorliegenden Kontraindikationen, fehlender Wirksamkeit oder Unverträglichkeit von Methylphenidat wird die Indikation zur pharmakologischen Therapie mit Medikamenten der 2.-ten Wahl geprüft und besprochen.
Nachdem die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Medikamentendosis geklärt ist, sollte die Weiterbehandlung heimatnah erfolgen.
Medikamente, kombiniert mit Beratungen und psychotherapeutischen Behandlungen können Abhilfe schaffen und dazu führen, dass Patienten ein „normales Leben“ führen können. Einen wichtigen stabilisierenden Beitrag kann auch beispielsweise die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe sein (http://www.adhs-deutschland.de).
Weitere Informationen zu ADHS:
Literatur:
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American Psychiatric Association. Diagnostic and statistical manual of mental disorders. 1994, 4th ed., Washington D.C.
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Ebert D, Krause J, Roth-Sackheim C (2003). ADHD in adulthood-guidelines based on expert consensus with DGPPN support. Nervenarzt 74: 939-946
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Jacob CP, Philipsen A, Ebert D, Deckert J (2008). Multimodale Therapie der
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung im Erwachsenenalter. Nervenarzt 79 (7):801-8
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Matthies S, Hesslinger B, Philipsen A (2007). Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenenalter. Psychiatrie und Psychotherapie up2date1, 433-446
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Rösler M, Retz W, Retz-Junginger P, Stieglitz RD, Kessler H, Reimherr F, Wender PH (2008). ADHS Diagnose bei Erwachsenen. Nach DSM-IV, ICD 10 und den Utah-Kriterien. Nervenarzt 79(3):320-7
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Wender PH (1987). The hyperactive child, adolescent and adult: attention deficit disorder through the lifespan. Oxford University Press, New York
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